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Recht.Staat.Bildung - die Philosophen der Q2 zu Besuch im Amtsgerich

| Patrick Lewe | Aktuelles

[Br] Im Rahmen des Projekts "Recht.Staat.Bildung" vom Land Schleswig-Holstein haben die beiden Philosophiekurse aus dem Jahrgang Q2 mit Frau Becker und Frau Behling am 15.01.2025 den Direktor des Amtsgerichts Norderstedt Herrn Dr. Wrege im Amtsgericht besucht.

Wir haben uns im Kurs vertiefend im ethischen Bereich mit dem Thema "Recht und Moral" beschäftigt. Gerade der "Fall Daschner", in den Herr Dr. Wrege mittelbar eingebunden war, zeigt, wie eng und gleichzeitig weit Moral und Recht miteinander verwoben sind. Eine scheinbare einfache Frage "Darf man Folter androhen, um einem Jungen das Leben zu retten?" wird zum großen Dilemma.
 
Wir wurden an diesem Tag eindrucksvoll in das Gericht und seine Atmosphäre eingeführt. Schon vor der Tür begegnete uns in der Architektur und Struktur des Gebäudes vieles, was die Grundlagen unseres Justizsystems aufzeigt. Na, wer erkennt auf der Tür, was dargestellt wird? Wer sieht die Gewaltenteilung in der Gebäudeform? Wie ist der Gerichtssaal aufgeteilt? Was macht es mit uns, wenn wir durch die eine oder die andere Tür gehen? Was wäre wohl, wenn eine Tür zum Saal zu und gar nicht beleuchtet ist...? Auf einem Bild hält Herr Daschner uns die Tür zur Arrestzelle auf, was fällt auf?
 
Danach wurde im Gerichtssaal der Fall Daschner besprochen. Also nicht der Fall an sich, sondern was alles damit in Verbindung steht und dahintersteckt. Hier ein paar Eindrücke:
  • Ist ein Staat ohne Konflikte am "Ziel" mit seinem Recht? Oder ist es nicht vielmehr so, dass nur aus Konflikten Individualrecht entstehen kann? Das hat doch auch etwas mit der Gewaltenteilung zu tun, um sicherzustellen, dass es auch in Zukunft Konflikte geben kann. Hört sich komisch an, ist aber so. Nur wenn man seine Meinung frei äußern kann, also Konflikte austragen kann, dann kann das Recht ein lebendes System sein, das sich entwickeln kann. Nur dort, wo Freiheit ist, gibt es Konflikte.
  • Inwiefern ist das Urteil von Herrn Daschner ein salomonisches Urteil? Auch in der Justiz wird um die Ecke gedacht, um möglichst alle Seiten ausgewogen mit betrachten zu können.
  • "Die Würde des Menschen ist unantastbar" – Grundgesetz, Artikel 1. Aber wieso darf die Würde des Opfers nicht mehr wiegen als die des Täters? Kann einem Toten Würde zugesprochen werden? Und sprechen wir auch Tieren Würde zu? Wieso "dürfen" wir andere Menschen ins Gefängnis oder in den Krieg schicken, aber Folter androhen nicht?
  • Das Grundgesetz ist unumstößlich, warum eigentlich? Es ist vom Staat konzipiert als Abwehrkraft jedes Einzelnen gegen den Staat – denkt mal darüber nach!
  • Was hat "Mittel zum Zweck" und "Zweck an sich" damit zu tun? Und wo ist da die Verbindung zur Würde und überhaupt zum Daschner-Fall? (Herr Kant, das wird mir zu kompliziert!)
  • Rechtspositivismus trennt Recht und Moral, Naturrecht vereint beides (Hallo Hobbes, Sie auch hier?). Welches Menschenbild steckt hinter unserer Staatsstruktur eigentlich? Und wenn in der Bevölkerung eine so starke Moral zu spüren ist, dass sie sich in einem Wunsch nach Recht äußert, was ist das? Wie gehen wir damit um? Werden wir populistisch oder reflektieren?
 
Alles in allem hat Herr Dr. Wrege uns vor den Kopf gestoßen, uns irritiert und uns damit zum Denken angeregt. Ich glaube, dass viele Eindrücke und Impulse in den Köpfen weiterarbeiten. In diesem Sinne ein Abschlusssatz von Herrn Dr.Wrege:
 
“Dieser Staat ist gut und es lohnt sich für ihn einzustehen!”